Visualisierung – der Blick im Inneren
Kennen Sie das auch? Sie sitzen mit aufrechtem Oberkörper im Meditationssitz, die Fingerkuppen des Daumen und des Zeigefingers berühren sich, das Becken ist entspannt, die Atmung sanft, die Energie kann fließen – und im Kopf zischen tausende Gedanken wie eine Horde wildgewordener Affen umher: inkaufsliste, E-Mails, das letzte Telefonat mit dem Chef, Essensplan … Ist die Espressomaschine abgedreht? Ich muss pünktlich um 17 Uhr bei der Schule sein … und so weiter.
Es fällt nicht immer leicht, die perfekt ausgerichtete Körperhaltung in einer Yogaposition mit dem inneren, ruhigen Bild zu vereinen, damit die Übung letztendlich ihre wahre Wirkung zeigt. Damit aber das Zusammenspiel zwischen Körperübung und innerer Haltung funktioniert und Yoga tatsächlich eine entspannende Wirkung zeigt, wird im Hatha Yoga die alte Technik der Visualisierung angewendet. Unabhängig davon, wie und in welcher Form Visualisierungen angewandt werden, bewirken sie immer eine beträchtliche Erhöhung der Konzentration.
Wie funktioniert die Visualisierungstechnik?
Dadurch, dass der Geist „beschäftigt“ ist, produziert er selber weniger, eventuell sogar keine inneren Bilder, so wie sie einem sonst unablässig durch den Kopf gehen. Vielmehr kreiert das Denkorgan eine Art Leinwand, auf die mit der Vorstellungskraft ein beruhigendes Bild, zum Beispiel die Oberfläche eines Sees, projiziert wird. Diese Projektion wird gleichmäßig, anhaltend und annähernd unauslöschlich, bis es sich in etwas auflöst, das jenseits des Bildes ist und in dem jedes bewusste Tun aufhört.
Das bewusste Visualisieren vertieft jede Übungspraxis, auf der körperlichen sowie auf der energetischen Ebene.
Das innere Auge dient dabei als bestes Hilfsmittel im Yoga.
Es gehört in vielen Yogaschulen unverzichtbar zur Übungspraxis dazu, sich bei Übungsbeginn einige Minuten zu „sammeln“, das dritte Auge zu aktivieren, sich ein Bild der Entspannung auf die Leinwand zu projizieren und mit sanfter, gleichmäßiger Atmung den Körper mit dem Geist zu verbinden. Sind die „wildgewordenen Affen“ standhaft, so helfen zwei, drei tiefe Atemzüge, mit kraftvollem Ausatmen durch den offenen Mund. Dann wieder die Aufmerksamkeit auf das dritte Auge lenken, die Leinwand hochfahren und der inneren Ruhe Raum geben. Wie bei so vielem, so kommt es auch beim Visualisieren von Entspannung auf das regelmäßige Üben an. Idealerweise beginnt man mit dem Üben morgens, nach dem Aufstehen. Es reichen ein geschützter, ruhiger Platz und nur ein paar Minuten im Meditationssitz. Mit der Zeit kann diese Technik in alle Yogapositionen übernommen werden, um das Zusammenspiel zwischen der körperlichen und der geistigen Ebene harmonisch zu verbinden.
Zum gleich Ausprobieren: Gehen Sie auf die Reise in Ihr Inneres mit einer gesprochenen Mediation von Christine Stiessel, Yogawege/ Wien.